Power zur Veränderung

Terran mit Hund – Zugreisen inklusive!

VOR EINIGEN JAHREN KAM IN UNSERE DAMALIGE WG BEI KIEL EINE WOHNUNGS-INTERESSENTIN DEN WEITEN WEG AUS SÜDFRANKREICH MIT DEM ZUG GEFAHREN. GEMEINSAM MIT IHREM HUND.

Ich war ganz begeistert von ihrem ökologischen Bewusstsein und ihrer terranen Lebensweise (obwohl ich das Wort damals natürlich noch gar nicht kannte). Dann stellte sich heraus, dass sie früher als Stewardess gearbeitet hatte und ihr das Nicht-Fliegen gar nicht so wichtig war. Da habe ich zum ersten Mal gemerkt, was für einen starken Einfluss Hunde auf die Gewohnheiten ihrer menschlichen Begleiter*innen haben.

Jetzt haben mein Mann und ich selbst einen: Dascha, eine Laika-Mischlingshündin aus einem Tierheim in Moskau, vermittelt über eine Tierschutz-Organisation. Ironischerweise kam sie mit dem Flugzeug zu uns, in einer kleinen Box im Frachtraum. Sie war damals 2 Jahre alt und es war ihr sehr deutlich anzumerken, dass sie in ihrem Leben schon viele negative Erfahrungen gemacht hatte. Vor allem mit Menschen, denn denen gegenüber ist sie sehr misstrauisch. Noch heute, nach 4 Jahren bei uns, gibt es keinen weiteren Menschen neben uns beiden, mit dem sie allein zu einem Spaziergang aufbrechen würde. Aber auch der Flug im Frachtraum hat dazu beigetragen, dass ihr Start hier sehr angstvoll war. Dascha wird in ihrem Leben in kein Flugzeug mehr steigen, das ist klar. Klar ist auch, dass wir wegen der engen Bindung an sie nicht allein wegfahren würden. Wir leben terran durch den Hund, auch wenn Dascha da in unserem Fall bereits vorherige Tendenzen bestärkt.

IN DIESER HUND-MENSCH-VERBINDUNG STECKT WIRKLICH EINE MENGE ZUNEIGUNG UND EINE MENGE POWER ZUR VERÄNDERUNG VON LEBENSSTILEN!

Viele Menschen holen Tiere aus dem Heim und bringen es dann nicht übers Herz, ihren Hundi für ein paar Wochen an andere Menschen abzugeben. Es gibt natürlich auch viel unkompliziertere Hunde, die irgendwie mitgenommen werden können oder schnell Beziehungen zu Ferienbetreuer*innen aufbauen können. Aber auch in diesen Fällen motivieren Hunde oft zu mehr Spaziergängen und Fahrradtouren in der eigenen Umgebung.

Paradox ist bloß: Wir werden mit Dascha zwar nicht mehr fliegen, wir fahren aber viel mehr Auto als früher. Denn in öffentlichen Verkehrsmitteln ist es teuer, den Hund mitzunehmen. Wenn es denn überhaupt erlaubt ist. Fernbusse befördern gar keine Hunde, nur regionale Linien. Es bleiben die deutschen Zuggesellschaften, die die Mitnahme von Hunde sowohl im Nah- als auch im Fernverkehr gestatten. Unkompliziert ist es, wenn der Hund so groß ist wie eine Katze und in eine Transportbox passt. Dann kann er unter den Sitz gestellt werden und geht als Gepäckstück durch. Für alle größeren Hunde gilt pauschal: Sie zahlen 50 % des Spar- oder Flexpreises der DB. Auf Langstrecken kann das sehr teuer werden. Im Nahverkehr unseres Bundeslandes Brandenburg verdoppelt eine Reise mit Dascha sogar die Fahrtkosten. Nur wenn ich eine Tageskarte kaufe, also an einem Tag zB. nach Berlin hin und zurück fahre, dürfte Dascha kostenlos mitkommen. Da überlege ich bei manchen Besuchen in Berlin tatsächlich, ob ich aus finanziellen Gründen lieber abends zurück fahre oder über Nacht bleibe. Oder ich nehme gleich das Auto.

Fahrten ins Ausland können mit Hund auch sehr spannend werden. Mein Mann betreut Kinder in mehrmonatigen Reiseprojekten und fuhr deshalb mit Dascha einmal über Frankreich nach Spanien. Frankreich hat für Hunde ähnliche Regelungen wie die DB. Sie zahlen auch 50 % des Fahrpreises und ebenso wie in Deutschland kann man für sie keine Onlineticktes buchen. Eventuell ist es möglich, das Ticket über das Internet zu kaufen und sich dann per Post zusenden zu lassen. Oft muss man dafür aber direkt zum Bahnhofschalter gehen. In diesem Fall bat ich einen Freund in Frankreich, das Ticket zu kaufen und dann beim Umsteigen in Paris zu übergeben. Mit dieser Fahrkarte fuhren sie bis Barcelona. Von da an setzten mein Mann und Dascha die Reise in einem Mietwagen fort, weil Hunde in spanischen Bussen und Zügen nicht erlaubt waren.

Etwas einfacher ist es, wenn ich mit Dascha zu Verwandten nach Tschechien fahre. Da löse ich für uns beide zwei Spartickets bis Prag und kaufe dort im Bahnhof oder im Zug ein Anschlussticket. Für Hunde sind das umgerechnet etwa 2,50€. Auch Österreich hat sehr hundefreundliche Ticketpreise: Da zahlen Hunde 10 % des Vollpreises und wenn man im Nachtzug ein eigenes Abteil bucht, darf man sie sogar für 29 € im Liegewagen mitnehmen. Leider fahren wir trotzdem lieber mit dem Auto nach Österreich, weil von Brandenburg aus ein weiter Weg nach deutschen Beförderungspreisen zurück gelegt werden muss, bevor die österreichischen gelten.

Ein Beitrag für mehr Klimaschutz wäre es, das Reisen mit Hunden finanziell zu erleichtern. Ich verstehe, dass sich einige Reisende durch Hunde gestört fühlen und auch trotz Leine und Maulkorb Sicherheitsbedenken haben. Aber mittlerweile gibt es ja in Zügen besondere Bereiche für verschiedene Bedürfnisse: Ruhebereiche für Laptoparbeiter*innen, Spielabteile für Familien, vermehrt nun auch Fahrradabteile im Fernverkehr. Da könnte es doch auch hundefreie und hundefreundliche Bereiche geben.

Dascha findet Zugfahren jedenfalls gut. Auf ihrer Decke liegt sie meist unter meinem Sitz. Da ich meine Sitznachbarn immer erst frage, wie sie sich mit Hunden fühlen, wird die Atmosphäre durch den Hund sogar lockerer. Meist entwickelt sich sogar eine kurzes oder längeres Gespräch über Hundeerfahrungen, Hunde von Freunden, Tiere und das Leben im Allgemeinen. Da ich bei langen Strecken für ausreichend Spaziergangszeit beim Umsteigen sorgen muss, werden die Fahrten zwar länger, aber auch entspannter. Es wäre schön, wenn das terrane Leben mit Hund noch ein Stückchen autofreier werden könnte.

Geschichte von Anne. Eine gute Übersicht über die Beförderungsbedingungen findet man: für Deutschland hierund für Europa hier. Assistenzhunde haben übrigens in allen europäischen Ländern freie Fahrt.