Mit dem Zug von Leipzig nach Schottland

16 Tage unterwegs, 6 davon in Zügen oder Bussen

Ich war ganz begeistert von ihrem ökologischen Bewusstsein und ihrer terranen Lebensweise (obwohl ich das Wort damals natürlich noch gar nicht kannte). Dann stellte sich heraus, dass sie früher als Stewardess gearbeitet hatte und ihr das Nicht-Fliegen gar nicht so wichtig war. Da habe ich zum ersten Mal gemerkt, was für einen starken Einfluss Hunde auf die Gewohnheiten ihrer menschlichen Begleiter*innen haben.

Ach waren das schöne Zeiten, als man 2019 noch verreisen konnte, denke ich gerade, während ich mein Reisetagebuch von meiner Schottlandreise durchblättere.

Meine Urlaubstage als Gärtnerazubine sind bei 24 Tagen im Jahr überschaubar, weswegen ich meine studierenden Freunde immer um ihre 3 monatigen Sommerferien beneide. Trotzdem wollte ich in meinen 2 Wochen Sommerferien im Juni 2019 eine deutsche Freundin von mir besuchen, die in Aberdeen, Schottland, Meeresbiologie studiert.

Hätte ich mehr Zeit gehabt, wäre ich Fahrrad gefahren oder getrampt, aber so wollte ich nicht länger als 1-2 Tage pro Weg auf mich nehmen, dafür waren mir meine wenigen Urlaubstage zu heilig. Zu fliegen kam für mich nicht in Frage und Freunde empfohlen mir mit einem Interrail Pass durch Europa zu fahren: https://www.interrail.eu/de/interrail-passes/global-pass

Auf der Internet Seite gibt es verschiedene Angebote, je nachdem wie lange man unterwegs ist und wie viele Tage man im Zug verbringt. Ich entschied mich für den Interrail Global Pass für 212€, mit dem ich 5 Tage lang von Mitternacht bis Mitternacht einen ganzen Monat, so viele Züge benutzen kann, wie ich möchte. Da ich mit dem Zeitpunkt meiner Rückreise flexibel sein wollte, dachte ich, Super, dann bin ich nie abhängig von einer Buchung!
Die Handhabung war auch extrem einfach, neben meinem Reisepass sollte ich immer den Interrail Pass dabei haben, in den ich meine Züge dokumentieren soll, und der/die Schaffner/in knipst die einzelnen Etappen ab. Also besorgte ich mir im Bahnhof den Interrail Pass und ließ mich darauf hinweisen, dass der Eurostar, der Schnellzug von Brüssel nach London, leider eine extra Buchung verlangte. Das war der einzige Zug, den ich auf jeden Fall kriegen musste.

Ich wollte nicht länger als 1-2 Tage pro Weg auf mich nehmen, dafür waren mir meine wenigen Urlaubstage zu heilig.

Leipzig - Hannover - Brüssel - London

An einem Sonntag morgen fuhr ich in Leipzig los, die Sonne schien ich war glücklich aufgeregt auf meine Reise in die schottischen Highlands.

Aber erstmal durch Deutschland. Doch leider hatte mein erster Zug schon Verspätung, weswegen ich meinen Anschlusszug beim Umstieg in Hannover um 12(!!!) Minuten verpasste. Zum Glück waren die Mitarbeiterinnen im Reisezentrum sehr hilfsbereit und bemüht eine Alternative für mich zu organisieren. Also ging es weiter über Düsseldorf nach Brüssel, und ich drückte die Daumen, dass ich meinen Zug noch erwischte. Und ja, als ich Brüssel-Midi erreichte, war der Zug noch nicht weggefahren, nur leider, wegen der Grenzkontrolle, war das Boarding schon lange geschlossen. Die Mitarbeiter am Check-In waren gnadenlos. Sie gaben mir zwar problemlos und kostenfrei einen Zug später, aber das bedeutete wiederum, dass ich den letzten Nachtzug von London nach Edinburgh verpassen würde.

So nun saß ich erstmal in Brüssel vorm Bahnhof und überlegte, was ich machen soll. Ich war mies drauf und die Fußgängerzone war dreckig und grau. Hier wollte ich nicht bleiben, also entschied ich mich mit meinem neuen Eurostar, wie geplant nach London zu fahren und mir dort ein Hostel zu suchen.

Nicht mal 2 Stunden fährt man und, als ich in London ausstieg, hatte ich das Gefühl ich sei geflogen, dabei bin ich in einem Tunnel unter dem Ärmelkanal durchgefahren, viel cooler, dachte ich! Es war nun schon 21:30, als ich im schwülen, dreckigen London ankam, ich war vollkommen überfordert von den vielen Lichtern, den mehrspurigen Straßen, den vielen Leuten mit Regenschirmen, obwohl es nicht regnete. Ich wurde wie immer auf der Reise sehr lieb beraten und fand ein Hostel 5 Minuten vom Bahnhof entfernt, und hatte für 15 Pfund eine Nacht in einem sauberen Bett. Frisch geduscht und glücklich lag ich dann in meinem Mehrbettzimmer, zufrieden über meine Entscheidung, mein Schicksal anzunehmen. Es war ja tatsächlich, zeitlich alles recht knapp bemessen. Und ehrlich gesagt, war ich lieber dort als in einem Nachtzug auf einem Doppelsitzer. Einer meiner Bettnachbarn schlief bereits geräuschvoll mit einer Atemmaske, das störte mich nicht im geringsten. Ich schlief selig ein, voller Vorfreude, am nächsten Tag den aller ersten Zug nach Edinburgh zu nehmen und auf meinen Geburtstag morgen!

…und als ich in London ausstieg, hatte ich das Gefühl ich sei geflogen, dabei bin ich in einem Tunnel unter dem Ärmelkanal durchgefahren, viel cooler, dachte ich!

Weiter von London nach Aberdeen

Während halb London verschlafen auf dem Weg zur Arbeit war, fuhr ich ausgeschlafen und aufgeregt nach Schottland. Jetzt konnte auch nichts mehr schief gehen. Ich zeigte jedes Mal stolz meinen Interrail Pass, der kurz überfolgen und mit einem anerkennenden Blick nicht mal abgeknipst wurde.

Neben mir saß eine Frau mit ihrer Tochter, aus Tschechien, ebenfalls mit dem Interrail Pass unterwegs nach Schottland, wir tauschten uns über unsere Reise aus und ich lieh ihr mein Ladekabel.

Es war himmlisch, mit guter Musik auf den Ohren, fuhr ich an der Ostküste Groß Britanniens entlang und blickte auf grünen Golfrasen und die Nordsee, die Sonne schien. Ich packte kleine Geschenke und Briefe aus, die mir Familie und Freunde vor der Reise gegeben haben und wie immer waren meine Großeltern aus Thüringen die ersten, die mich anriefen und mir gratulierten. Ich war so glücklich, noch nie hatte ich in 2 verschiedenen Ländern Geburtstag, mein persönliches Geburtstagsgeschenk.

In Aberdeen erwartete mich Oona mit einer brennenden Kerze in einem Apfel!

Vom leichten Gefühl unterwegs zu sein

Wir verbrachten eine großartige Zeit in Schottland, wanderten eine Woche lang den West Highland Way und trampten dann nach Edinburgh, wo wir noch ein paar Tage in einem Hostel verbrachten. Ich war so begeistert von allem, der Sprache, den freundlichen Schotten, den vielen anderen, offenen Wanderern aus aller Welt, den rauen, alten riesigen Highlands, den Wanderungen in regennassen Klamotten und schwerem Rucksack, diesem leichten Gefühl unterwegs zu sein und so wenig zum Glücklichsein zu brauchen.

Die Rückreise

Für die Rückreise war ich nun wieder an dem Eurostar Ticket von London nach Brüssel gebunden. Da ich eher als geplant hätte reisen können, wollte ich dieses Ticket einen Tag nach vorne umbuchen. Da es aber kein online Ticket war, sondern ein analog ausgedrucktes (ja, sowas gibt es noch), hätte ich das Ticket nur im Internet für 200€ oder in Leipzig umbuchen können, äh, nein danke.
Ich entschied mich dieses Ticket für 35 € sausen zu lassen und mit dem Flixbus für 30€ über Nacht von London nach Amsterdam zu fahren. Von da benutzte ich wieder meinen blauen Interrail Pass, den ich aber leider in einem holländischen Zug auf den ebenso blauen Sitzen liegen gelassen und vergessen habe… Na toll, dieser wurde zwar wieder von einer sehr freundlichen niederländischen Servicemitarbeiterin wieder gefunden und nach Hause geschickt, aber in dem Moment blieb mir nichts anderes übrig, als für 90€ ein neues Ticket zu kaufen. Etwas geknickt war ich nun auf dem Weg an die Ostsee, wo ich noch jemanden besuchen wollte, bevor es wieder nach Leipzig ging.

Meine Stimmung hellte sich auf, weil ich den Tag über in verschiedenen Zügen immer neue Leute kennengelernt habe. Im Gegensatz zu meiner Hinfahrt, die ich fast ausschließlich mit Kopfhörern auf den Ohren verbracht habe, kam ich jedes Mal mit meinen Sitznachbarn ganz unkompliziert in ein Gespräch. Ich lernte einen Internist aus Paraguay, eine Frau, die in einem Abfallingenieursbüro arbeitet kennen und mit einem Dozenten aus Rostock teilte ich meine Erdbeeren.
Ein paar Tage später war ich wieder zu Hause. 16 Tage unterwegs, 6 davon habe ich ganz oder teilweise in Zügen oder Bussen verbracht. So viel kam es mir gar nicht vor, merke ich. Hätte ich meinen Interrail Pass nicht verloren, hätte ich einiges an Geld und Nerven sparen können. Aber so oder so war es eine unglaublich schöne Zeit.

Eben weil ich mich gegen das Fliegen entschieden habe und für das Reisen mit Zug und Bus bin ich so vielen verschiedenen Menschen begegnet, die alle offen und hilfsbereit waren. Dafür bin ich unendlich dankbar.

Danke Stella, dass du deine Geschichte mit uns teilst.
Stand: Januar 2020