Auf der Seidenstrasse von Persien nach Hause

Wir wollten per Anhalter vom Iran nach Hause reisen. Schon bald mussten wir aber feststellen, dass den Iraner*innen das Prinzip „Anhalter“ nicht bekannt ist. Wir haben es aber trotzdem bis in die Schweiz geschafft.

Mit einem „Freifahrtschein“ durch den Iran

Ausgangspunkt: Teheran. Ziel: Zürich. Zeit: zwei Monate.

Schon bald mussten wir feststellen, dass Iraner*innen das Prinzip „per Anhalter“ nicht bekannt ist und dass das am Strassenrand Stehen mit hochgehaltenem Finger als „anstössig“ verstanden wird. Daher reisten wir erstmals mit dem Bus im Land herum. Dabei erfuhren wir eine unglaubliche Gastfreundschaft, genossen wunderschöne und vielfältige Landschaften und Bauten, rauchten viel Shisha, hörten persische Musik und hinterfragten dabei immer wieder die Rolle der Frau in der iranischen Gesellschaft.

In Tabriz – ganz im Nordwesten des Landes – angekommen, erzählten wir einer Italienerin, die in hier gerade ein Persisch-Studium absolvierte, von unserer Idee, per Anhalter zu reisen. Diese meinte, dass uns die Autofahrer bestimmt mitnehmen würden, sofern sie unser Anliegen verstehen würden. Daher schlug sie kurzerhand vor, uns ein Blatt Papier auf Persisch entsprechend zu beschriften. Dies funktionierte bestens. So fuhren wir noch am selben Tag mit fünf verschiedenen Autos von Tabriz über Jolfa bis an die armenische Grenze. Dabei lernten wir unter anderem die LKW-Fahrer Assan und Amir kennen, die uns erzählten, dass die Ausübung ihres Berufs einer der wenigen Wege sei, als Iraner an ein ausländisches Visum zu kommen.

Die Grenze nach Armenien überschritten, den Hijab abgelegt, ein erstes Bier getrunken, und schon durften wir mit einem Armenier ein Stück weiter ins Landesinnere mitfahren. Ihn baten wir, uns einen Ort zu empfehlen, an dem wir unser Zelt aufschlagen konnten. Aus dem Fenster zeigend meinte dieser: „Wieso nicht gleich hier?“

MIT 20 KM/H DIE AUSSICHT GENIESSEN

Die Krönung des Tages

Am nächsten Morgen merkten wir, dass die Strasse, neben der wir geschlafen hatten, auch tagsüber kaum befahren wurde. So freuten wir uns riesig, als Ari und Hakob mit ihrem Traktor-Strassen-Sortierer angefahren kamen und uns mitnahmen. Anschliessend genossen wir – trotz nicht gerade höchstem Komfort – mit ca. 20 km/h die Aussicht und tauschten mit den beiden die paar wenigen Worte aus, die uns allen bekannt waren. Zur Krönung des Tages durfte ich die Maschine sogar eine Weile selbst fahren.

Vom Städtchen Kapan, wo Ari und Hakob uns absetzten, wollten wir uns einen direkteren Weg weiter in den Norden Armeniens gönnen: Ein Taxi. Leider aber scheiterte das alte Taxi am steilen Pass in Richtung Norden. So befanden wir uns schon bald neben einem fluchenden Taxifahrer wieder mit herausgehaltenen Daumen am Strassenrand.

Auf dem weiteren Weg über die Grenze nach Berg-Karabach, zurück nach Yerevan und weiter nach Georgien erfuhren wir, dass das Reisen per Anhalter auch in dieser Gegend der Welt einer der schönsten Arten ist, ein Land kennenzulernen und auch hervorragend funktioniert, wenn man etwas Geduld und genügend Zeit mitbringt.

Per Anhalter durch Transnistrien bis nach Chisinau

Nachdem wir grosse Fans von Georgien geworden waren, entschieden wir, das schwarze Meer mit der Fähre zu überqueren. Auch das Reisen auf dem Seeweg ist in meinen Augen eine der schönsten und zugleich gemütlichsten Reisearten. So hiess es für uns 50 Stunden lang essen, schlafen, Aussicht geniessen und Schach spielen, bis wir schliesslich in Odessa wieder Land betraten.

Danach ging es weiter per Anhalter durch Transnistrien bis nach Chisinau in Moldavien. Auf dem weiteren Weg in Richtung Rumänien wurden wir von einem Metzger und Familienvater, der uns mit seinem Auto mitfahren liess, zum Abendessen mit der ganzen Familie eingeladen. Das Glück schien uns auch weiter nicht zu verlassen, als wir nahe der Grenze zu Rumänien schon unser Zelt am Strassenrand aufstellen wollten, als ein italienisches Pärchen uns fragte, ob wir mit ihnen bis nach Bukarest mitfahren wollten. So reisten wir noch vor dem Schlafengehen 300 weitere Kilometer.

In Bukarest mussten wir leider feststellen, dass unsere Reisezeit knapp wurde, der Weg bis nach Hause aber noch weit war. So stiegen wir auch mal in einen Zug ein und entschieden uns, für die nächste Reise mehr Zeit und weniger Kilometer einzuplanen.

Die letzten 900 km von Kroatien über Slovenien und Italien bis an die Schweizer Grenze schafften wir aber doch noch innert drei Tagen per Anhalter. Merke: LKW-Fahrer*innen sind die zuverlässigsten Mitfahrgelegenheiten, die am weitesten fahren und sich am meisten über Gesellschaft freuen.

Bisher habe ich keine schönere und erlebnisreichere Reise erlebt als dieses terrane Abenteuer.